Dienstag, 1. Oktober 2013

Materialgeschichten: Über das Glas in Kunst und Architektur

Broken Glass | Glas in Kunst und Architektur | Glas in kunst en architectuur
Wolfgang Becker (Hg.): BROKEN GLASS. Glas in Kunst und Architektur. Köln 2005.
 Selten war ich so überrascht über eine Neuerscheinung wie in diesem Fall: Broken Glass. Glas in Kunst und Architektur. Der Titel und das Thema an sich sind dabei noch nicht einmal das Erstaunlichste - der Inhalt ist es, welcher immer wieder "Aha-Erlebnisse" aufkommen lässt. Denn natürlich ist es nichts Neues dass Glas in Form der (leider oft nicht ernst genommenen) Glasmalerei seit dem Mittelalter präsent ist. Dass sich neben der oft als "Kunstgewerbe" abgewerteten Glasmalerei jedoch auch die sogenannte "Hochkunst" dem Glas zunehmend mehr widmet macht man sich selten bewusst.

Klaus Kumrow: o.T. - Flasche mit 2 Ärmeln, 1995.


Umso schöner, dass dieses Buch sich in mehereren Aufsätzen dem Thema annimmt. Und eine unglaubliche Vielfalt und Fülle an Beispielen anführt. In seinem Aufsatz Kunst und Glas fängt Wolfgang Becker bei Marcel Duchamps Großem Glas an, zeigt dann aus der Fotografie, der Skulptur und Architektur. Das Spektrum reicht von Misch Kuball über Andre Kertesz, Gerhard Richter, Wolf Vostell, Klaus Kumrow und Felix Droese um nur einige zu nennen.

Andre Kertesz: Broken Plate, 1929, Fotografie.

Aber nicht nur Glas in der Bildenden Kunst ist Thema. In weiteren Kapitel werden die Beziehung zwischen Glas und Musik und Glas und Film genauer betrachtet. Außerdem gibt es eine Verknüpfung zur Literatur: Fensterscheiben und zerbrochenes Glas in der modernen Literatur heißt ein weiterer Aufsatz.

Alles in allem also ein rundum umfassender und interdisziplinärer Blick auf das Material Glas. Und selbst wenn man sich nicht jeden der Aufsätze ausgiebig zu Gemüte führen möchte, so gibt doch allein schon das Durchblättern neue Ideen und Anschauungsweisen mit und ist definitif horizonterweiternd. Glasgeflüster in Reinform.

Abildungen:
http://www.booklooker.de/B%FCcher/Angebote/titel=Broken%2BGlass%2B%257C%2BGlas%2Bin%2BKunst%2Bund%2BArchitektur%2B%257C%2B
http://www.galerierenatekammer.de/art-stock/items/173.html
http://www.bulgergallery.com/dynamic/fr_artwork_display.asp?ArtworkID=3313



Sonntag, 29. September 2013

Was lange währt...

Fragonard Extrafeine Ölfarbe

Das ist das Problem an uns Kunstgeschichtlern: wir sind oftmals so theoriebezogen, dass wir die handwerklichen Aspekte der Malerei und auch Bildhauerei oftmals allenfalls vom Hörensagen kennen.

Oder habt ihr euch schonmal konkret damit auseinandergesetzt, wie lange der Entstehungsprozess eines Bildes konkret dauert? Angefangen von der Herstellung der Ölfarben, dem Malprozess bis hin zum unglaublich langen Trockenprozess. Acht bis zwölf Monate dauert es, bis so ein Ölbild wirklich durchgetrocknet ist.

Mal ganz abgesehen davon, dass der Herstellungsprozess der Farbe schon ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Denn nachdem die Pigmente mit dem Öl ordentlich vermischt wurden müssen diese Mischungen solange stehen, bis sich alles überschüssige Öl abgesetzt hat. Auch das sind mehrere Wochen bis Monate.

Seit dem 14. Jahrhundert gibt es die Ölfarbe inzwischen. Abgesehen davon, dass man sie heute fertig und in Tuben kaufen kann und somit die Farbe nicht mehr in irgendwelchen Tierinnereien aufbewahren muss, hat sich am eigentlichen Herstellungsprozess nach wie vor wenig geändert.

Weitere Infos zur Ölmalerei gibt es u.a. hier.

Abbildung:
http://de.pebeo.com/Acrylfarben-in-allen-Varianten/Oelfarben

Donnerstag, 26. September 2013

Schön wars! Die P/ART 2013

img/part_plakat.png


Beeindruckt war ich diesen Sommer von der Kunstmesse P/ART in Hamburg. Die Produzenten-Kunstmesse hat es sich zur Aufgabe gemacht junge unentdeckte und unabhängige Künstler zu präsentieren und mit einem kunstinteressierten Publikum zusammenzubringen. Darüber dass die Initatoren betonen etwas ganz anderes als die üblichen Messen geschaffen zu haben lässt sich streiten. Fest steht jedoch, dass die P/ART definitif mit der Auswahl der Künstler viele spannende Positionen und Entdeckungen vorgestellt hat und sich einer großen Resonanz seitens der Besucher erfreuen konnte.

Mit lebhaften Diskussionen

Die Sommerpause ist vorbei...



Viel zu lange war es hier sehr sehr still. Nun aber ist die (unbeabsichtigte) Sommerpause vorbei. Ich freue mich schon rießig auf viele neue Entdeckungen, Anregungen, Ideen und vielleicht sogar Erkenntnisse und hoffe ihr auch!

Umso schöner wäre es wenn ihr mir weiterhin treu bleibt oder treu werdet, Anregungen Fragen und Kritik schickt und sich das Projekt "artomaniak" auf diese Weise kontinuierlich weiterentwickeln kann.

eure artomaniak

Dienstag, 18. Juni 2013

Neu im Kino: Max Beckmann

Max Beckmann - Departure


Nach Gerhard Richter kommt nun ein weiterer großer deutscher Maler ins Kino. "Departure" heißt der Film über Max Beckmann vom Regisseur Michael Trabitzsch.





Infos gibt es hier:
http://www.piffl-medien.de

Rezensionen gibt es hier:
http://www.faz.net
http://www.abendblatt.de/l

Abbildung:
http://www.piffl-medien.de/film.php?id=138&kat=vorschau#http://www.piffl-medien.de/

Kritischer Blick auf die ART Basel

Einen spannenden und durchaus kritischen Beitrag zur ART Basel hat das Erste ausgesendet. Das Video mit dem Titel

Milliarden auf dem Kunstmarkt – die ART BASEL und: Verderben die Superreichen die Kunst?

kann man sich hier online anschauen.

Viel Spaß!

Montag, 17. Juni 2013

Eberhard Ross und die Gesetzmäßigkeiten der Verteilung

larch
larch piece 120 x 100 cm

Ganz nah dran oder ganz weit weg, eine Makroaufnahme eines Gebüschs oder die Ansicht eines Vogelschwarms - letztlich hat alles eine Struktur. Um diese geht es in den Bildern von Eberhard Ross, geboren 1959 in Krefeld. Der inzwischen international bekannte und momentan durchaus gefragte Künstler beschäftigt sich in seinen Bildern mit den organischen und anorganischen Strukturen den Natur.

swarm
swarm 150 x 100 cm

Wie Aufnahmen mit einem Elektronenmikroskop wirken die Werke. Und wie eine Feldforschung zur Verteilung. Dabei sind es vor allem "die Zwischenräume, die mich interessieren". Diese entstehen unweigerlich als Nebenprodukt der Verteilung. Und sind das, was Ross Bildern ihre Anziehungskraft verleiht, ihre ästhetische Wirkung und ihre Präsenz. 

Bilder wie der "Schwarm" sind durchaus auch dekorativ, keine Frage. Aber ihre naturwissenschaftliche Präzision bewahrt sie davor zu verflachen. 

Informationen:

brushwood
brushwood 80 x 120 cm
Abbildungen:
http://www.eross.de/index.html

Freitag, 7. Juni 2013

Kunstgeschichte und Leidenschaft. Oder: Aufbruch zu neuen Ufern.

Und was willst du mal damit machen? Das ist wohl die häufigste Frage die man gestellt bekommt wenn man erzählt, dass man Kunstgeschichte studiert, Vielen Menschen scheint es äußerst suspekt zu sein warum man außgerechnet dieses Fach gewählt hat, wo man doch mit BWL definitiv mehr Geld verdienen kann und mit Lehramt sichere Jobaussichten hat. (Ganz abgesehen von der Frage "Und was malst du so?" - aber das ist ein anderes Thema ...)

Mit Kunstgeschichte kann man nicht reich werden und die Zukunftsplanung ist vielleicht nicht die leichteste. Aber damit sind wir Kunstgeschichtler nicht allein. Dafür haben wir etwas, was nicht jeder behaupten kann: nämlich Spaß an dem, was wir tun. Wir studieren unser Hobby - und das mit Leidenschaft. Und ist nicht Begeisterung unser größter Besitz?

Ich für meinen Teil liebe mein Studium. Und bin überzeugt, dass mir das einen unglaublichen Vorteil verschafft. Wenn man hinter den Dingen steht die man tut eröffnen sich immer Perspektiven. Begeisterung steckt an, öffnet Türen und ungeahnte Möglichkeiten. Auch in der Arbeitswelt. Mit genügend Selbstbewusstsein der eigenen Sache gegenüber überzeugt man auch sein Gegenüber.

Warum also sollte die Zukunft uns Kunsthistorikern weniger Chancen bieten als jedem anderen? Natürlich ist es von Vorteil zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Oder aber wir schaffen uns unsere Arbeitsplätze selbst. Nur weil die Museen zunehmend kürzen und einsparen müssen heißt das nicht, dass es keine Arbeitsplätze mehr für uns gibt. Längst sind nicht alle Bereiche ausgeschöpft und viele Optionen existieren schlichtweg noch gar nicht. Es gäbe noch soviel ins Leben zu rufen!

Warum gibt es keine Initiative, die sich für gerechte Löhne einsetzt und für die Förderung von Familienfreundlichkeit in kunsthistorischen Arbeitsfeldern. das zum Beispiel wäre zu organisieren. Und auch das Ausstellungswesen hat sich längst selbst überholt. Wohin mit all den jungen talentierten Künstlern welche die Akademien verlassen? Für diese wären neuartige, von Menschen mit Fachwissen betreute Ausstellungsmöglichkeiten vonnöten. oder gleich ganz neue Konzepte der Präsentation und des Verkaufs. Nur die Ideen fehlen noch...

Und ist es nicht an der Zeit die etablierten Kunstwelt weiterzuentwickeln? Neue Konzepte für Museen zu erdenken die auch vermehrt junges Publikum anziehen. Denn dieses ist schließlich die Zukunft der kulturellen Landschaft. Und auch und gerade der Kunstmarkt sollte sich zunehmend von seinem Sockel begeben und gerade junge und durchschnittlich verdienende Menschen ansprechen. Sonst wird er sich vermutlich bei Gelegenheit selbst begraben. Institutionen wie die Affordable Art Fair sind erste Schritte in diese Richtung. Dort folgt man dem Konzept, dass kein Werk mehr als 5.000 Euro kosten darf (was immer noch viel ist... ).

Es bleibt viel zu tun. Deshalb seit offen und gestaltet die Kunstwelt nach euren Wünschen und Vorstellungen. Schließlich besteht sie aus denjenigen, welche sie tragen, nämlich uns.

Montag, 3. Juni 2013

Das Märchen vom Scherenschnitt



Sculptures Hand Cut from Single Sheets of Paper by Nahoko Kojima sculpture paper


Was ist es bloß das den Scherenschnitt zu einer in der aktuellen Kunst zunehmend beliebten Arbeitsweise macht? Immer häufiger wird er von Künstlern aufgegriffen, immer detaillreicher und ausufernder werden die Werke...

Groß gefeiert wurde er zuletzt 2011 in der Hamburger Kunsthalle mit der Ausstellung "Cut. Scherenschnitte von 1970 - 2010. Dort wurde gezeigt wie Künstler wie Olaf Nicolai, Kara Walker, Felix Droese und viele weitere das Medium, welches bereits bei Philip Otto Runge seine Blüte erfuhr, aufgreifen und modernisieren.

Unabhängig davon widmet sich auch die japanische Künslerin Nahoko Kojima Schere und Papier und erschafft filigrane Meisterwerke, die durch ihren Detailreichtum und die unglaubliche Feinheit der Ausführung bestechen.

Sculptures Hand Cut from Single Sheets of Paper by Nahoko Kojima sculpture paper

Und wieder einmal zeigt sich dabei, dass der Scherenschnitt, welcher sich bereits im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute, es immer wieder aufs neue schafft den Betrachter zu faszinieren. Zum Glück müsste man fast sagen, ist doch der Legende nach auf durch den Schattenriß, welcher dem Scherenschnitt zugrunde liegt, die Malerei entstanden.

Insofern lässt sich wohl zurecht sagen: und wenn sie nicht gestorben sind dann schneiden sie noch heute... ich bin gespannt wie sich der "Cut" weiterentwickeln wird!

Infos gibt es hier:
http://www.thisiscolossal.com
http://www.hamburger-kunsthalle.de

Abbildungen:
http://www.thisiscolossal.com

Kann man Geschmack lernen? Gustav Pazaurek und die "bösen Dinge"


Was ist Kitsch, was nur schlechter Geschmack und wann kann man überhaupt von gutem Geschmack sprechen? Mit diesen Fragen hat sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Kunsthistoriker Gustav E. Pazaurek (1865-1935) beschäftigt. 1912 erschien seine Publikation Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe. Dieses Werk dient auch der Ausstellung "Böse Dinge" im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg als Grundlage.

Doch kann man guten Geschmack wirklich lernen? Pazaurek glaubt daran und entwirft einen Kriterienkatalog. Außerdem veranschaulicht er seine Erkenntnisse in seiner 1909 im Stuttgarter Landgewerbemuseum eröffneten Abteilung der Geschmacksverirrungen. Als Mitglied des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes gehört er zudem einer Bewegung an, die die bis heute anhaltende ästhetische Diskussion entscheidend mitträgt.

Böse Dinge - das hört sich nach moralischen Ungeheuerlichkeiten an. Pazaurek geht es bei seiner Kategorisierung der Dinge um Ausführung, Gestaltung und Funktionsfähigkeit. Er unterteilt die Objektwelt in verschiedene Kategorien des Kitsches - angefangen vom Religiösen Kitsch über den Jägerkitsch oder Fremdenandenkitsch.

In einer Zeit des Umbruchs, als Anfang des letzten Jahrhunderts industriell gefertigte Massenprodukte zunehmend Verbreitung finden und man zwischen alten Schnörkelmöbeln und modernem Werkbund-Design lebt, wird zunehmend über "gute Form" und die Qualität der Dinge nachgedacht. Dass diese Diskussion noch lange nicht vorbei und Pazaurek nach wie vor aktuell ist demonstriert nun das MKG in Hamburg, welches Objekte aus Pazaureks Abteilung der Geschmacksverirrungen mit modernen "Designsünden" und "Kitsch" konfrontiert.

Und dass in Zeiten, in welchen Künstler wie Koons Terrier-Vasen produzieren und diese als Kunst deklarieren die Frage um den guten Geschmack noch lange nicht beantwortet ist, versteht sich von selbst. Deshalb bin ich unglaublich gespannt auf die "Bösen Dinge" und freue mich euch hoffentlich bald davon berichten zu können!

Spannende Artikel zu  Thema gibt es hier:
http://www.mkg-hamburg.de/
http://www.museumderdinge.de/
http://sz-magazin.sueddeutsche.de
http://www.spiegel.de
http://www.sonntagszeitung.ch
http://www.goethe.de

Einen Einblick in Pazaureks Überlegungen gibt es hier.


Abbildung:
http://www.mkg-hamburg.de/de/ausstellungen/aktuell/boese-dinge.html