Das 1866 entstandene Bildnis des Malers, Bildhauers und
Poeten Zacharie Astruc überrascht mich immer wieder. Auf den ersten Blick ist
es vor allem die geballte Ladung Schwarz, die faszinierend ist. Denn sie lässt
den Portätierten nicht etwa fahl und blaß erscheinen, sondern unterstreicht
seinen Charakter und seine Vitalität.
Astruc betrachtet sein gegenüber sehr selbstsicher mit
ruhigem Blick. Zu gern wüsste ich, was wohl hinter der hohen Stirn vor sich
geht. Ob er wohl über seine an der Gattung des Porträts entwickelte
Rezeptionsästhetik nachsinnt? Er war der Meinung, dass ein Porträt in seiner
Unmittelbarkeit überraschen und in Erstaunen versetzen solle...
Seine Kriterien waren vermutlich von der aufkommenden
Fotografie und durch die beschleunigte Wahrnehmung aufgrund des modernen
Großstadtlebens beeinflusst. In dieser sich zunehmend neuen Welt benötigte die
Porträtmalerei neue Reize um auf sich aufmerksam zu machen.
So ist denn auch das Gemälde Manets ein Ausdruck des Dankes
für die Fürsprache des Freundes und gleichzeitig eine Hommage an Astrucs
Ästhetik. Er überrascht den Betrachter immer wieder aufs Neue: mit der
ausschnitthaften Raumregie, der Zweiteilung der Komposition und vor allem der
linken Bildhälfte. Blicken wir hier in ein weiteres Zimmer? Einen Spiegel? Oder
handelt es sich um ein Gemälde?
Die Antwort liegt in der Imagination des Betrachters, die
Kunstgeschichte ist sich uneins darüber. Eindeutig jedoch sind die Verweise auf
die für die Impressionisten so prägende wie stilbildende japanische Kunst. Die mit
japanischen Titeln versehenen Bücher auf dem Tisch weisen auf Astrucs Vorliebe
für die japanische Kunst hin. Gleichzeitig ist der japanische Einfluss auch in
der Manier der exzentrischen und uneindeutigen Bildkomposition zu finden.
Neben Verweisen auf Japan ist auch eine Orientierung an
klassischen Vorbildern eindeutig: das Motiv der weiblichen Rückenfigur im
häuslichen Bereich und die Mehrdeutigkeit der Raummontage legen den Vergleich
mit niederländischen Bildern des 17. Jahrhunderts nahe.
Jan Vermeer, Der Liebesbrief, 1669/1670, Öl auf Leinwand, 44 cm × 38,5 cm, Bild via http://gemaeldeonline.wordpress.com. |
Gleichzeitig lässt die linke Bildhälfte auch an Tizians
„Venus von Urbino“ denken, die Manet in den Uffizien kopiert und bereits in
seinem Gemälde der „Olympia“ rezipiert hatte.
Tizian, Venus von Urbino, 1538, Bild via Wikipedia. |
Im Gegensatz zu den Bildern der alten Meister legt Manet
jedoch keinen Wert auf Feinmalerei und malerische Perfektion bis ins Detail.
Vielmehr differenziert er die Malerische Deutlichkeit der Bildgegenstände. So ist
der Tisch links sehr genau ausgearbeitet während zum Beispiel Astrucs rechte
Hand nur grob angedeutet ist, ein Zustand, der auch als „non finito“ bezeichnet
wird und die Farbe als solche aufwertet, ohne sie der Umrisszeichnung
unterzuordnen.
Dies ist auch das unglaublich Neue an Manets Bilder: die
Befreiung der Farbe, die von der hm nachfolgenden Generation an Impressionisten
weitergeführt wird.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende,
eure artomaniak
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